Wie Sie mit Design Thinking innovative Prozesse entwickeln

Neue Prozesse zu entwickeln oder bestehende Abläufe zu verbessern, ist in vielen Unternehmen Chefsache.

Dieser Top-Down-Ansatz hat jedoch Risiken. Deckt sich der neue Prozess nicht mit den Anforderungen und Bedürfnissen der Mitarbeiter, besteht die Gefahr, dass er im Tagesgeschäft nicht gelebt wird. Deswegen sind kollaborative Methoden wie Design Thinking für die Entwicklung und Optimierung von Prozessen oft die bessere Wahl.

Design Thinking ist eine kreative Methode, mit der interdisziplinäre Teams nutzerorientierte Ideen und Problemlösungen in iterativen Schritten entwickeln. Im Prinzip handelt es sich um eine neue Form des Denkens, die sich besonders für schwierige Aufgaben eignet. Die Komplexität wird dabei durch die Zusammenarbeit der am Prozess beteiligten Mitarbeiter in intradisziplinären Teams beherrschbar gemacht.

Wie funktioniert Design Thinking?

Design Thinking zählt zu den bekanntesten agilen Methoden. Es zielt darauf ab, innovative Ideen und Problemlösungen zu entwickeln, die nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und umsetzbar, sondern auch vonseiten der Kunden bzw. Nutzer gewünscht sind. Es gibt dabei zwei wichtige Anwendungsfälle:

  • Die (Weiter-)Entwicklung von Produkten (z. B. Industrie-4.0-Produkte) und
  • die Generierung von Ideen, die zu innovativen Organisations- und Prozessformen führen.

Die Lösungsfindung erfolgt im Design Thinking in Form eines Regelkreises. Dabei werden die folgenden sechs Schritte ggf. mehrfach durchgeführt:

Schritt 1: Verstehen

Jede Form der Problemlösung setzt ein profundes Verständnis der Ausgangssituation voraus. Wer einen neuen Geschäftsprozess entwickeln oder einen bestehenden Ablauf verbessern möchte, muss sich zunächst vergegenwärtigen, was die Ziele sind und welche Anforderungen sich daraus ergeben. Dies bezieht sich sowohl auf die Perspektive des Unternehmens als auch auf die der beteiligten Mitarbeiter.

Schritt 2: Beobachten

Charakteristisch für Design Thinking ist die konsequente Ausrichtung auf die Perspektive der Endnutzer. Prozesseigner müssen zunächst herausfinden, wie ein Ablauf aus Sicht der Prozessbeteiligten funktioniert. Dafür braucht es viele Gespräche mit den Kollegen, die den Prozess im Tagesgeschäft ausführen (sollen).

Das Ziel besteht zum einen darin, Schwächen und Risiken aufzudecken. Wird ein Prozess von Ihrem Team nicht so umgesetzt wie vorgesehen, liegt das selten an fehlender Motivation, sondern an immanenten Schwachstellen des Ablaufs. Zum anderen sollen die Mitarbeitergespräche ein konkretes Zielbild ergeben – ein Workflow, der aus Sicht der Kollegen ideal ist.

Schritt 3: Point of View definieren

In den ersten beiden Schritten ging es darum, ein empathisches Verständnis für die Herausforderungen und Bedürfnisse der betroffenen Nutzer und Stakeholder zu entwickeln. Diese Bestandsanalyse erlaubt es, das gewonnene Verständnis des Designteams als Problemstellung zu formulieren. Diese dient fortan als Orientierungspunkt, der eine fokussierte Suche nach Lösungen erlaubt.

Die Erkenntnisse, die sie in den ersten beiden Phasen gesammelt haben, werden von den am Prozess beteiligten Nutzern und Stakeholdern gesammelt, geordnet und analysiert. Das Ziel dieses interdisziplinären Teams ist es, seine Beobachtungen zu verstehen und daraus eine Sichtweise abzuleiten, aus der sie den Sachverhalt betrachten. Aus diesem Point of View (POV) erarbeiten sie dann eine konkrete Problemdefinition.

Schritt 4: Ideen finden

Nun beginnt die kreative Phase, die am häufigsten mit Design Thinking assoziiert wird. Im Rahmen eines moderierten Workshops sammeln Sie mit Ihrem Team Ideen und Vorschläge für die (Neu-)Gestaltung des Prozesses. Möchten Sie beispielsweise die Durchlaufzeiten in Ihrer Produktion beschleunigen, stellen Sie diese Frage in den Vordergrund und sammeln in der großen Runde passende Prozessideen. Diese werden in der Regel mithilfe von Post-its auf einer großen Wand visualisiert. Hierbei gilt zunächst: Quantität vor Qualität.

Nach einer Weile ist der Ideenreichtum Ihres Teams aufgebraucht. In diesem Fall empfiehlt es sich, das Meeting zu unterbrechen und die bisher gesammelten Ideen gemeinsam mit Blick auf die definierten Personas zu überprüfen. Förderlich für die Kreativität ist erfahrungsgemäß der Einsatz von Musik. Auch der Wechsel der Räumlichkeiten trägt in der Regel dazu bei, neue Ideen für die Gestaltung Ihres Prozesses zu finden.

Schritt 5: Prototypen

Im nächsten Schritt werten Sie Ihre Ideen gemeinsam im Team aus. Mit Blick auf Realisierbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz verwerfen Sie Ideen und verknüpfen solche, die in Kombination gut zusammenpassen. Auf diese Weise schaffen Sie konvergente Ideencluster, die Sie erneut auf Post-its darstellen. Aus diesen Clustern entwickeln sich mit der Zeit Prozessprototypen, die Sie schriftlich dokumentieren.

Schritt 6: Testen

Ihr Prototyp wird nun im Tagesgeschäft getestet. Dabei ist es ratsam, ihn zunächst in kleinem Rahmen über einen Zeitraum von einer Woche auszuprobieren. Das genügt, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie Ihre Mitarbeiter im Tagesgeschäft mit dem Ablauf zurechtkommen.

Es ist unwahrscheinlich, dass Ihr Prototyp sofort allen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht wird. Das ist auch nicht das Ziel von Design Thinking. Wie bei allen agilen Methoden besteht die Stärke auch hier in den iterativen Schleifen, in denen Sie das Feedback Ihrer Mitarbeiter für die Weiterentwicklung des Prozesses nutzen. Die sechs Schritte, die wir hier beschrieben haben, führen Sie also ggf. mehrfach durch:

  • Sie machen sich noch einmal Sinn und Zweck des Prozesses bewusst,
  • beobachten, wie Ihre Mitarbeiter mit dem Prozess zurechtkommen,
  • passen Ihre Persona ggf. mit Blick auf Ihre neuen Erkenntnisse an,
  • sammeln neue Ideen für die Verbesserung des Prozesses,
  • führen Anpassungen an Ihrem Prototyp durch und
  • testen ihn erneut.

Design Thinking ist kein starrer Prozess. Gerade in den ersten Stufen (Verstehen/Beobachten/Point of View definieren) drehen wir häufig mehrere iterative Schleifen oder gehen noch einmal einen Schritt zurück. Ähnliches gilt für die Testschleifen. Diese helfen dabei, ein neues Verständnis zu erlangen, mit dem wir unter Umständen eine andere, bereits formulierte Idee anpassen und prototypen. Diese Form der Flexibilität ist typisch für Design Thinking.

Design Thinking ist eine Frage des Mindsets

Innovative Prozessideen entstehen im Design Thinking, wenn Sie das kreative Potential Ihres interdisziplinären Teams voll ausschöpfen. Das ist leichter gesagt als getan. Nach unserer Erfahrung reagieren Mitarbeiter sehr unterschiedlich auf den Einsatz von neuen, kreativen Methoden wie Design Thinking. Das Mindset, das diese Form der Teamarbeit erfordert, ist in vielen Fällen noch nicht stark genug ausgeprägt oder gar nicht vorhanden. Dies führt dazu, dass die ersten Versuche nicht die gewünschten Ergebnisse liefern.

In solchen Fällen ist es Aufgabe des Moderators, das agile Mindset im Team zu fördern. Er muss Verständnis für die Situation der Mitarbeiter gewinnen und ihnen helfen, ihr kreatives Potential zu entfalten. Darüber hinaus muss er ein gemeinsames Verständnis für die Ziele und Herausforderungen einer Aufgabe schaffen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn ein Geschäftsprozess über mehrere Abteilungen läuft, die jeweils eigene Anforderungen und Bedürfnisse haben. In diesem Fall muss der Moderator zwischen verschiedenen Sichtweisen vermitteln und das Team auf einen Stand bringen. Dafür ist viel Erfahrung notwendig.

WER ÜBERNIMMT DIE MODERATION?

Im Idealfall stammt der Moderator der Design-Thinking-Workshops aus einer fachfremden Abteilung und ist von dem überarbeiteten Prozess nicht betroffen. Auf diese Weise kann er unvoreingenommen an die Aufgabe herangehen. Mitarbeiter des gleichen Fachbereichs verfügen dagegen über ein vorgeprägtes Denkgerüst. Das macht es für sie schwierig, einen bestehenden Prozess zu bewerten und innovative Verbesserungsvorschläge zu entwickeln.

Design Thinking und der Faktor Mensch

Prozesse entstehen in den meisten Unternehmen auf einer Meta-Ebene. Der oder die Prozesseigner – seien es nun Mitglieder der Geschäftsführung oder Fachbereichsleiter – definieren einen Ablauf, der dann später von den Mitarbeitern umgesetzt werden soll. Dieses Vorgehen hat zwei Nachteile:

  • Die Bedürfnisse der betroffenen Mitarbeiter bleiben bei der Entwicklung unberücksichtigt. Das resultiert oft darin, dass der Prozess nicht akzeptiert und gelebt wird.
  • Die Komplexität, die z. B. abteilungsübergreifende Geschäftsprozesse aufweisen, lässt sich von einer Person oder einem kleinen Team kaum überblicken. Solche Prozessoptimierungen per One-Man-Show weisen daher oft Schwächen auf, die im Tagesgeschäft Verzögerungen und Probleme verursachen.

Gerade bei komplexen Geschäftsprozessen und der Suche nach innovativen Prozessideen führen klassische Ansätze nicht immer zu fruchtbaren Ergebnissen. An dieser Stelle setzt Design Thinking an: Fachübergreifende Teams nehmen den Faktor Mensch im Rahmen der Problemlösung konsequent in den Fokus und beziehen das Feedback der Endnutzer im Anschluss an die Testphasen in die Weiterentwicklung des Prozesses ein. Dieses flexible Vorgehen erhöht die Chance, akzeptierte, effiziente Prozesse zu entwickeln, um ein Vielfaches.

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